***English version***
In Tansania angekommen, begrüsste uns der Grenzbeamte mit einem breiten Grinsen und fragte: «Wisst ihr, was ‘Jana’ auf Suaheli bedeutet? Gestern!» Lachend überreichte er ihr den Pass und meinte «Karibu sana Tanzania».
Behüteter Kulturschock in Daressalam
Wir wurden von Luc, dem Freund von Dominik’s Studienkollegin am Flughafen in Empfang genommen. Wir durften die ersten Tage in seinem wunderschönen Strandhaus übernachten und uns Zeit nehmen, um anzukommen.
Nachdem uns Luc vorgewarnt hatte, dass wir vermutlich von Polizisten angehalten werden, vergingen keine fünf Minuten. Ein Polizist fragte direkt und unverblümt nach Spenden. Luc war solche Situationen gewohnt und anstelle von Suaheli sprach er auf Englisch mit dem Polizisten. Da er kein Englisch verstand, durften wir ohne «Spende» weiterfahren.
Bei Luc angekommen, wurden wir mit einem für Daressalam typischen Stromausfall begrüsst. Das Haus konnten wir deshalb erst am nächsten Tag richtig begutachten.
Wir sind mit dem Meeresrauschen aufgewacht. Fenster gibt es im Haus keine und somit gibt es immer eine angenehme Meeresbrise im sonst sehr heissen Daressalam. Im Garten stehen einige Palmen, perfekt zum Aufhängen einer Hängematte und um den örtlichen Fischern in der Bucht bei ihrer Arbeit zuzusehen.
Daressalam ist zwar die grösste Stadt des Landes, es handelt sich dabei aber nicht um die Hauptstadt. Im Gegensatz zu den Städten Südamerikas gibt es hier keine öffentlichen Plätze oder Fussgängerzonen. Alles ist wild und laut und strahlt eine ganz andere Atmosphäre aus. Luc führte uns durch die belebten Strassen, gab uns Einblicke in das urbane Leben und einen Crash-Kurs in die Kultur Tansanias. Zudem hat er uns auch Bargeld und je eine Sim-Karte besorgt und wir mussten uns in den ersten Tagen um diese typischen Reisetätigkeiten überhaupt nicht kümmern. Einen besseren Start auf dem neuen Kontinent hätten wir uns nicht vorstellen können.
In den folgenden Tagen vertieften wir uns intensiv in die Recherche für unsere bevorstehenden Abenteuer in Tansania und darüber hinaus in Afrika. Als Teil unserer Akklimatisation machten wir auch einen Ausflug zur malerischen Insel Bongoyo vor der Küste Daressalams, einem kleinen Paradies mit weissen Stränden.
Mafia Island – Ein Paradies unter und über Wasser
Unsere erste richtige Reise ohne Lucs Unterstützung führte uns dann nach Mafia Island. Die Insel ist ein verborgenes Juwel vor der Küste Tansanias, das uns mit seiner Schönheit und seiner faszinierenden Tierwelt verzaubert hat. Wer sich jetzt fragt, ob der Name etwas mit der italienischen Mafia zu tun hat, der liegt komplett daneben. Eine Erklärung könnte sein, dass der Name aus dem Suhaeli «mahali pa afya» stammt, was so viel bedeutet wie «ein gesunder Ort zum Wohnen».
Die Insel liegt südlich von Daressalam und ist entweder mit dem Propellerflugzeug oder der Fähre erreichbar. Allerdings startet die Fähre von einem entlegenen Ort vier Stunden südlich der Stadt, was die Anreise umständlich macht. Zudem erfuhren wir, dass die Fähre im Januar 2023 defekt war, und es gab nirgends Informationen, ob das Problem mittlerweile behoben wurde. Angesichts dieser Informationen entschieden wir uns für das Propellerflugzeug. Bei der niedrigen Decke konnte Dominik gerade so aufrecht sitzen. Jede Bewegung war spürbar, und wir hatten einen direkten Blick über die Schulter der Pilotin. Wir genossen den 30-minütigen Flug mit Aussicht auf das Meer und die umliegenden Inseln.
Den ersten Tag liessen wir den Ort auf uns wirken und besuchten das kleine Fischerdorf. Am Abend genossen wir ein leckeres Essen am grossen Tisch unseres Hostels mit allen anderen Gästen und diskutierten bis tief in die Nacht hinein. Viele entschlossen sich für Mafia, da hier das Ökosystem der Unterwasserwelt viel weniger stark frequentiert ist als auf Sansibar. Durch den Marine Park ist ein Grossteil des Riffs nun geschützt und in einem intakten Zustand, wodurch es das Zuhause einiger seltener Meereslebewesen ist.
Auf einem ganztägigen Ausflug durch den Park besuchten wir eine verborgene blaue Lagune und eine einsame Sandbank, die nur bei Ebbe erscheint. Ganz alleine, umringt von türkisblauem Wasser, bereiteten wir dort frisch gefangenen Fisch über dem Feuer zu. Anschliessend gingen wir auf eine Entdeckungsreise, um die verborgene Welt der Korallenriffe zu erkunden.
Der Höhepunkt unseres Aufenthalts auf Mafia Island war dann zweifellos die Begegnung mit den majestätischen Walhaien. Die gigantischen Meeresbewohner sind dort vor allem aufgrund des reichhaltigen Planktonvorkommens zu finden. Wir wurden im Vorfeld genau instruiert, wie wir uns im Wasser zu verhalten haben. Doch als der erste Walhai direkt auf uns zu schwamm, erstarrten wir komplett. Nach wenigen Sekunden war das Tier im blauen Nichts wieder verschwunden.
Nur einige Minuten später erhielten wir eine zweite Chance. Wir bekamen die einzigartige Möglichkeit, Seite an Seite mit dem Walhai durch das glitzernde Wasser zu gleiten. Das Meer war an dieser Stelle nur etwa vier Meter tief und glasklar. Dadurch konnten wir den Walhai in seiner ganzen Pracht eingehend bestaunen. Der sanfte Riese faszinierte uns mit seinen ruhigen und anmutigen Bewegungen, dem gepunkteten Muster auf seinem Rücken, dem riesigen Mund und den kleinen Putzerfischen, die ihn begleiteten. Es war ein Moment der puren Ehrfurcht, als wir in sicherem Abstand zu diesem imposanten Geschöpf schwammen und uns bewusst wurden, wie klein wir in der Weite des Ozeans sind.
Kilwa – die volle Ladung Afrika
Nach einem traumhaften Aufenthalt machten wir uns auf den Weg nach Süden Richtung Kilwa, einem kleinen Küstenort auf dem Festland. Unsere Abfahrt war für 3 Uhr morgens geplant. Wir haben die Verspätung der Fähre gar nicht bemerkt, da wir sofort eingeschlafen sind, als wir unsere Plätze eingenommen haben. Die Einheimischen schienen sich ebenfalls nicht daran zu stören, sie breiteten ihre mitgebrachten Tücher aus und machten es sich bequem. Vorne lief ein Bollywood-Film in voller Lautstärke, der nur vom noch lauteren Radio übertönt wurde. Später realisierten wir, dass dies kein Radio war, sondern ein Synchronsprecher, der den Film übersetzte. Es schien, als würde nur die Hälfte der Konversationen übersetzt werden. Luc bemerkte später, dass oft eine völlig andere Geschichte erzählt wird.
Als wir im kleinen Ort Nyamisati anlegten, wurden wir sofort mit den kulturellen Unterschieden konfrontiert. Alle drängten sich vom Schiff ohne Rücksicht auf Verluste. Als sich Jana bei der Damentoilette anstellte, sind ständig Frauen vor ihr in die Toilettenkabine gedrängt. Hätte eine junge Frau nicht Erbarmen mit ihr gehabt und sich schützend vor eine der Toiletten gestellt und sie hineingeschoben, hätte sie da wohl noch Stunden gewartet. Sich anzustellen, ist nicht Teil der Kultur, wie wir gelernt haben. In Tansania musst du kämpfen, sonst gehst du in der Masse komplett unter.
Wir kauften uns zwei Wasser für den Weg und erkundeten uns beim Verkäufer nach der Busstation. Er schloss kurzerhand seinen Kiosk und begleitete uns zum Bus. Mitten im Dorfzentrum zeigte er auf einen kleinen Bus mit einer riesigen Menschentraube davor. Alle versuchten, sich in das Gefährt zu quetschen und uns war umgehend klar, dass wir keine Chance hatten, jemals in diesen Bus zu gelangen. Ein junger Mann mit Motorrad kam auf uns zu und erkundigte sich, wo wir hin müssen. Der Verkäufer übersetzte, dass er uns für 12.000 Schilling (etwa CHF 4) ins Dorf an der Hauptstrasse bringen würde. Wir schauten uns ungläubig an. Zum einen war die Fahrt mehr als eine Stunde und zum anderen waren wir zu zweit. Nach kurzer Diskussion haben wir entschieden, dass dies wohl für mehrere Stunden die einzige Möglichkeit ist, unserem Ziel zumindest ein Stück näher zu kommen. Janas Rucksack hat sich der Fahrer um den Bauch geschnallt und wir setzten uns hinter ihm auf das Motorrad. Unser Fahrer besorgte uns auf dem Weg kurzerhand zwei Helme und fuhr sicher und vorsichtig. Ihm war die Nervosität anzumerken und er wollte unbedingt alles richtig machen. Die Fahrt führte uns über unbefestigte Strassen mit roter Erde. Auf dem Weg haben uns immer wieder Leute zugejubelt, gewunken oder uns ungläubig angeschaut. Zwei weisse Touristen zu zweit auf dem Motorrad mit einem Einheimischen war hier definitiv kein alltägliches Bild.
Nur mit viel Mühe schafften wir es mit dem ganzen Gewicht einen Hügel hoch, rollten die andere Seite wieder runter und blieben dann einfach stehen. Uns war gerade das Benzin ausgegangen und wir sahen uns schon stundenlang zu Fuss entlang der staubigen Strassen gehen. Nach zwei Minuten wurden wir aber bereits erlöst. Am Strassenrand verkaufte ein Mann Benzin in PET-Flaschen – wie praktisch! Weiter ging es und nach einer weiteren halben Stunde erreichten wir die Hauptstrasse.
Den grossen Bus hatten wir gerade verpasst, doch bevor wir uns versahen, sassen wir bereits in einem klapprigen Daladala ohne Klimaanlage inmitten von Einheimischen. Eigentlich hätte es in dem Bus gar keinen Platz mehr gehabt, doch flexible wie Tansanier sind, wurde ein Kind auf den Schoss genommen und ein Passagier setzte sich ganz vorne neben den Busfahrer. Der ganze Bus war aber nicht nur total voll mit Menschen, sondern auch Hühnern und unzähligen Körben mit Esswaren. Während der Fahrt deckten sich die Leute um uns herum mit getrocknetem Fisch ein, ein äusserst beliebter Snack, wie es schien. Es wurde uns angeboten, zu probieren, allerdings konnten wir uns auf nüchternen Magen nicht überwinden. Langsam näherten wir uns Kilwa – unserem Ziel. Der Busfahrer entschied dann kurzfristig, doch nicht bis dahin zu fahren, sondern uns an der Hauptstrasse rauszulassen und uns einen Betrag zurückzuerstatten.
Wie bestellt und nicht abgeholt, standen wir da und wussten nicht, wie wir nun nach Kilwa gelangen sollten. Da kam auch schon ein weiterer Mann, der uns deutete in ein Auto einzusteigen. Ein wenig skeptisch folgten wir der Aufforderung und schnell gesellten sich weitere Personen zu uns. Doch die Kapazität des Autos war noch nicht voll ausgenutzt und wir hielten immer wieder an und weitere Personen quetschten sich neben uns auf die Rückbank oder in den Kofferraum. Entsprechend langsam legten wir die Strecke bis nach Kilwa zurück und nach einer weiteren Stunde in sehr beengten Platzverhältnissen, haben wir es endlich geschafft. Nun waren wir nur noch ein Tuk-Tuk-Fahrt, oder Bajaj, wie sie es in Tansania nennen, von unserem Hostel entfernt. Mehr als zwölf Stunden waren mittlerweile seit unserer Abreise auf Mafia vergangen. Das war definitiv die volle Ladung Afrika.
Am nächsten Tag gingen wir auf eine Kombi-Tour, um die Ruinen von Kilwa zu besichtigen und vor der Küste die Unterwasserwelt zu bestaunen. Als wir mit einer Stunde Verspätung starteten, waren unsere Erwartungen zunächst nicht allzu hoch. Dieses Gefühl verstärkte sich, nachdem wir etwa zwei Stunden mit einem sehr langsamen Boot zu den Ruinen tuckerten. Doch dann erhielten wir eine wirklich tolle Tour der ganzen Anlage, die mittlerweile von riesigen Affenbrotbäumen überwachsen ist.
Nach dem Mittagessen ging es direkt ins Wasser, genauso wie wir es von unseren Mamis gelernt haben. Unser Guide transformierte sich vom Historiker zum Marinespezialisten. Beim Schnorcheln entdeckten wir überraschend farbenfrohe Korallen, exotische Fische und ein fake Seepferdchen. Den Tag liessen wir bei einem gemütlichen Lagerfeuer ausklingen.
Am folgenden Tag ging es wieder zurück nach Dar – wie die Einheimischen die Stadt Daressalam liebevoll abkürzen. Wie die Busfahrt in etwa war, könnt ihr euch bestimmt vorstellen. Kurz vor Dar beschloss unser Busfahrer plötzlich, eine vermeintliche Abkürzung zu nehmen. Eine unbefestigte Strasse neben der Hauptstrasse schien ihm verlockend, um den stockenden Verkehr zu umgehen.
In einer beinahe filmreifen Szene sahen wir ein Auto und zwei Menschen, die in ihrer misslichen Lage auf der Strasse feststeckten. Der Busfahrer entschied sich dennoch für volle Geschwindigkeit und preschte haarscharf am Abgrund an ihnen vorbei. Die zwei Menschen konnten gerade noch rechtzeitig abspringen, während wir, trotz des waghalsigen Manövers, selbst stecken blieben.
Zuerst haben wir es gar nicht realisiert, doch als alle den Bus verliessen und wir uns das Ganze von aussen betrachteten, wurde uns schon ein wenig mulmig. Ein Hinterrad befand sich bereits über dem Abgrund und uns wurde die Gefahr bewusst, der wir gerade nur knapp entgangen waren. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. In der sengenden Hitze standen wir nun vor der Herausforderung, in einem Wettlauf mit allen anderen Reisenden ein Taxi zu finden.
Die letzten zwei Nächte in Dar durften wir nochmals bei Luc verbringen. Bei einem grandiosen Grillabend in seinem Garten assen wir frischen Fisch und leicht verkohlte Kartoffeln – Der oder die GrillmeisterIn möchte sich hierzu nicht weiter äussern. Dies war der Abschluss unseres noch behüteten Starts in Tansania. An dieser Stelle nochmals ein riesiges Dankeschön an Luc für die Gastfreundschaft und die tolle Zeit.
Zu Gast im Kinderdorf Mbingu
Wieder einmal begann unsere Reise zu früh. Busfahrer und Fahrbegleiter wurden klar instruiert, gut auf uns aufzupassen. Entsprechend wurden wir zu unserem Leid wieder einmal ganz vorne platziert und hatten so uneingeschränkten Blick auf die Geschehnisse der Strasse, die man lieber nicht sehen möchte. Durch die vorderen Sitze bot sich uns jedoch auch ein tolles Naturspektakel. Als wir den Mikumi Nationalpark durchquerten, sahen wir auf einmal Giraffen, Zebras und plötzlich überquerten auch noch Elefanten die Strasse. Mit nur einem (!) Toilettenstop auf der 12-stündigen Busfahrt erreichten wir endlich Mbingu, wo uns die Kinder, Tagesmütter und Schwestern herzlich mit Blumen und Gesang in Empfang genommen haben. Diese Geste war unglaublich rührend, und wir fühlten uns vom ersten Augenblick an willkommen.
Am ersten Tag wurden wir zum jährlichen Fest des Schutzpatrons des benachbarten Gesundheitszentrums eingeladen. Es wurde gespeist, gelacht und getanzt, und wir bekamen weitere Einblicke in die Kultur und Gastfreundschaft Tansanias. Es war aber auch unser erster Kampf mit dem Essen. Gerne hätten wir beide das Fleisch weggelassen, das noch überall Haare des Tieres enthielt, und uns nur von den köstlichen Beilagen bedient. Das hätte die Gastgeberin aber extrem beleidigt und niemand hätte unsere Abneigung gegenüber dem Fleisch verstanden, war es doch für sie das Allerbeste auf dem gesamten Buffet. Mit Hilfe eines warmen Bieres – ja, die meisten trinken Bier in Tansania ungekühlt – würgten wir das zähe Fleisch herunter. Auch in den folgenden zwei Wochen gab es immer wieder Momente, wo wir uns so sehr gewünscht hätten, dass wir uns von Anfang an als Vegetarier ausgegeben hätten. Wir durften als Zeichen der Gastfreundschaft immer mit den drei Schwestern speisen und sie haben sich trotz ihrer einfachen Mittel so richtig ins Zeug gelegt. Es gab täglich Fleisch, aber natürlich wurde alles vom Tier inklusive Innereien verwertet. Das machte natürlich absolut Sinn, sind wir von zuhause aber überhaupt nicht mehr gewohnt. So konnte sich eine Mahlzeit auch mal zu einem richtigen Kampf entwickeln. Uns war es aber sehr wichtig, respektvoll gegenüber ihrer Esskultur zu sein.
Die zwei Wochen standen dann ganz im Zeichen der Kinder. Viele von ihnen waren von Anfang an sehr neugierig, haben uns umarmt und direkt an der Hand genommen. Wir hatten sofort den Eindruck, dass sie sich freuten, neben den Schwestern und Tagesmüttern noch weitere Bezugspersonen zu haben. Sie wollten mit uns spielen, herumalbern und vor allem auch mit uns tanzen. Sie haben den Rhythmus eindeutig im Blut, und wir waren von ihren Tanzmoves ziemlich beeindruckt. Wir haben mit den Kindern in den zwei Wochen einige einfachere Tanzabfolgen eingeübt sowie mit ihnen zusammen laufend neue Tanzschritte erfunden. Nach ein paar Tagen hatten sie die Choreografien richtig gut drauf, und sobald sie uns sahen, haben sie stolz gezeigt, was sie gelernt hatten.
Wir haben auch zwei Mal eine Schnitzeljagd organisiert, um ihnen zu zeigen, wie wir uns als Kinder beschäftigt haben. Zu Beginn brauchte es ein paar Stationen, bis sie realisierten, was eine Schnitzeljagd ist. Danach konnten wir sie aber kaum mehr stoppen, und sie haben den Baobab-Süssigkeiten-Schatz im Nu gefunden. Die Freude über das «Pipi» war riesig, und am nächsten Tag fragten sie bereits, ob wir heute wieder einen «Hazina» suchen würden.
Es gab auch Dinge, die uns sehr nachdenklich stimmten und uns realisieren liessen, wie unglaublich privilegiert wir in der Schweiz doch sind. Die Betten in den Häusern wurden immer geteilt, und teils bis zu fünf Kinder schliefen gemeinsam auf einem Bett. Für Windeln war kaum Geld da. Die meisten Kleinkinder wurden daher in Tücher eingewickelt und als Schutz vor dem Auslaufen, wurde noch ein Plastiksack drumherum gebunden. Gegessen wurde gemeinsam von grossen Platten am Boden, und der Schulweg dauerte 25 Minuten bei sengender Hitze.
Was die Schwestern, Mamas und Babas tagtäglich für die Kinder leisteten, hat uns schwer beeindruckt. So bereichernd die Zeit mit den Kindern war, so fordernd war sie zugleich. Die älteren Kinder übernahmen aber schon sehr viel Verantwortung, kümmerten sich um die kleineren und halfen, wo immer sie schon konnten. Es fühlte sich wirklich an wie eine riesengrosse Familie, in die wir herzlich aufgenommen wurden.
Im Austausch mit den Schwestern erfuhren wir einige der tragischen Geschichten. Einige Kinder verloren beide Eltern oder häufig starb die Mutter direkt nach der Geburt. Tansania ist noch sehr geprägt von alten Rollenbildern und alleinerziehende Väter gibt es kaum. Auch Alkohol-, Drogenkonsum und häusliche Gewalt sind sehr präsent und mehrere Kinder wurden aus solch prekären Verhältnissen gerettet. Von einigen gibt es keine Hinweise zu ihrer Herkunft, da sie einfach irgendwo im Wald oder auf der Strasse ausgesetzt wurden. Trotz all diesen tragischen Schicksalen sprühten die Kinder nur so vor Lebensfreude.
Die zwei Wochen vergingen wie im Flug, und dann hiess es auch schon wieder Abschied nehmen. Das ist uns ganz schön schwer gefallen, sind uns die Kinder in dieser Zeit doch sehr ans Herz gewachsen. Die Schwestern haben ein wunderschönes Abschiedsfest für uns organisiert und auch wir haben uns für die Kinder nochmals richtig ins Zeug gelegt. Wir haben zwei riesige Bananenkuchen gebacken, mit ihnen getanzt und sind am Ende des Tages nochmals in alle Häuser, um uns von ihnen zu verabschieden. Unser Besuch im Kinderdorf Mbingu war eine sehr bereichernde Erfahrung, die wir nie mehr vergessen werden.
Um Mitternacht ging es dann begleitet von neun Personen zum Bahnhof. Als wir dort ankamen, war es aufgrund eines Stromausfalls stockdunkel und wir waren sehr froh um die Eskorte. Alle warteten mit uns 1.5 Stunden auf den verspäteten Zug, obwohl bei einigen der nächste Tag bereits um 5 Uhr wieder startete. Das war sehr rührend und als der Zug endlich einfuhr, schlossen wir alle nochmals in die Arme und stürzten uns ins nächste Abenteuer.
Zugreise nach Sambia
Es war also fast 2 Uhr morgens und wir stolperten mit dem Gepäck und unzähligen Geschenken durch die Wagons. Es fühlte sich an, als würde der Zug niemals enden und wir hatten keine Ahnung, in welchem Wagon sich unser Abteil befand. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat uns ein Zugbegleiter in unser Abteil verfrachtet. Extrem erleichtert wollten wir nichts anderes, als einfach nur zu schlafen. Kaum haben wir die Decken angehoben, hat sich gefühlt alles bewegt. Willkommen in der 1. Klasse. Bevor wir endlich zu unserem Schlaf kamen, haben wir also alles mit unserem «Tötermückenspray» eingenebelt und sind dabei selbst fast erstickt. Danach ist Dominik sofort in den Tiefschlaf gefallen, während Jana kaum ein Auge zugetan hat. Nicht nur die Gedanken an das viele Ungeziefer machten ihr zu schaffen, sondern auch dass es immer wieder am Türknauf des Abteils rüttelte, sich Personen im Wagen lautstark unterhielten und der Zug immer wieder stoppte. Irgendwann morgens haben wir uns aufgerappelt und festgestellt, dass wir in den vergangenen acht Stunden nur mickrige 60 Kilometer zurückgelegt hatten. Zu diesem Zeitpunkt lagen noch 1380 Kilometer vor uns – das konnte ja heiter werden. Da wir sowieso mit circa zwei Tagen Verspätung rechneten, machte es uns aber noch keine Sorgen.
An diesem Tag waren wir richtig asozial, haben uns alles von unserem Kellner ins Abteil bringen lassen und intensiv an unserem Ecuador-Blog gearbeitet. Da war der Tag bereits wieder vorbei. Erneut wurden wir Mitten in der Nacht geweckt. Natürlich sind wir genau dann an der Grenze zu Sambia angekommen.
In der Schlange vor dem Grenzposten mitten im Nirgendwo lernten wir also unsere Mitreisenden kennen. Als wir endlich an der Reihe waren und dem sambischen Beamten unsere 60 Dollar überreichten, wollte er eine der 20-Dollar-Scheine aufgrund einer Markierung nicht akzeptieren. Er beharrte darauf, dass wir uns von «unseren Freunden» eine andere besorgten. Was blieb uns also anderes übrig, als die Leute, die wir gerade erst kennengelernt hatten, um Geld zu bitten. Der Zug ist nämlich in der Zwischenzeit inklusive unserem ganzen Gepäck und den Geldreserven weggefahren. Ein US-Amerikaner hat uns dann glücklicherweise einen druckfrischen Schein geliehen und endlich erhielten wir unser Visa für Sambia. Bei Sonnenaufgang war das Prozedere dann endlich vorbei. Wir freuten uns auf unser Abteil, das mittlerweile auch ohne Spray von allem Ungeziefer gemieden wurde.
Um 10 Uhr wurden wir wieder aus dem Schlaf gerissen. Dieses Mal war es unser Kellner, der fragte, ob wir gerne frühstücken wollten. Unser Kellner hat sich in den Tagen immer sehr um uns gekümmert und seinen Wunsch, wieder einmal ein Buch zu besitzen, erfüllten wir ihm deshalb sehr gerne. Am Abend schrieben wir eine kleine Dankesnotiz in das Buch «Marching Powder» zu dem San Pedro Gefängnis in Bolivien und übergaben es ihm. Wir legten uns zum dritten Mal schlafen und hofften inständig, dass sich die Verspätungen wie bisher fortsetzen. Der Wunsch ging nicht in Erfüllung und morgens um 4 wurden wir jäh aus dem Schlaf gerissen. Wir waren nicht kurz vor der Ankunft, sondern bereits angekommen. Völlig schlaftrunken, haben alle Reisenden ihre Sachen gepackt und wurden von den Mitarbeitern aus dem Zug gescheucht. Da waren wir also: Kapiri Mposhi, Sambia, einer der ärmsten Orte des ganzen Landes. Zusammen mit zwei Japanerinnen, zwei Koreanern, einer Türkin und dem hilfsbereiten Amerikaner standen wir verloren auf dem Perron und wurden von Taxifahrern belagert. Der Gedanke, in ein Taxi zu sitzen und in circa 2 bis 3 Stunden in der Hauptstadt Lusaka anzukommen, war extrem verlockend. Doch die Fahrt war teuer, der Fahrer unsympathisch und wir waren nach unserer 50-stündigen Zugfahrt auch nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Was sollten wir also tun?
Damit wir unserem Namen DJ on Tour gerecht werden, findet ihr hier ein Lied, das uns in Tansania täglich begleitet hat. Bei den Kids im Kinderdorf gab es kein Halten mehr, sobald der Song ertönte – alle fingen an zu jubeln und zu tanzen.
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